Autogenes Training zum Entspannen und Einschlafen

Ruhe finden. Viele Menschen sehnen sich heute genau danach – zwischen ständigem Termindruck, dem Messenger, der ständig auf Standby ist und langen Arbeitszeiten im Büro. Genau hier setzt das Autogene Training an: eine bewährte Methode zur Selbstregulation, die einfach erlernbar ist und sich tief im Nervensystem entfaltet.

Ob zum Einschlafen, zur Stressbewältigung oder als tägliche Kraftquelle – autogenes Training bietet Ihnen ein sehr starkes Werkzeug, das Sie überall und jederzeit anwenden können. In diesem Beitrag erfahren Sie, was hinter der Methode steckt, wie Sie sie im Alltag einsetzen und worauf Sie bei der Wahl eines qualifizierten Ansprechpartners achten sollten.

Was ist Autogenes Training – und woher stammt es?

Das Autogene Training ist eine Entspannungsmethode, die auf der Selbstbeeinflussung basiert und in den 1920er Jahren vom Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelt wurde. Er beobachtete bei seinen Patienten, dass sich durch bestimmte gedankliche Formeln körperliche und psychische Entspannungsreaktionen auslösen liessen – ganz ohne äussere Hilfsmittel.

Die sogenannte Autosuggestion funktioniert so: Durch innerlich wiederholte Formeln wie „Mein rechter Arm ist schwer“ oder „Ich bin ganz ruhig“ wird das vegetative Nervensystem gezielt beeinflusst. Dabei geht es nicht um Einbildung, sondern um eine konkrete Reaktion des Körpers. Heute zählt das Autogene Training zu den bekanntesten und wissenschaftlich am besten untersuchten Entspannungsverfahren. Es wird weltweit angewendet – sowohl zur Prävention als auch zur Therapie.

Wie wirkt Autogenes Training auf Körper und Geist?

Das Autogene Training wirkt dort, wo viele Beschwerden ihren Ursprung haben: im Zusammenspiel von Gedanken, Emotionen und Körperfunktionen. Durch ein regelmässiges Üben wird das vegetative Nervensystem beeinflusst – konkret: der sogenannte Parasympathikus wird aktiviert. Dieser Teil des Nervensystems ist für die Ruhe, die Regeneration und die Erholung zuständig – der Gegenpol zum Sympathikus, der bei Stress oder Gefahr aktiv wird.

So negativ wirkt sich dauerhafte Anspannung auf Sie aus

Viele Menschen befinden sich im Alltag dauerhaft in einem „Anspannungsmodus“, was mit der Zeit zu Erschöpfung, Schlafstörungen, Verspannungen oder sogar körperlichen Erkrankungen führt. Das Autogene Training soll diesen Kreislauf bewusst durchbrechen. Die konzentrierte Wiederholung einfacher Formeln versetzt den Körper in einen Zustand der Tiefenentspannung, die Atmung verlangsamt sich, die Muskeln entspannen, der Blutdruck sinkt – und auch geistig entsteht ein Gefühl von innerer Ruhe und Klarheit.

Funktioniert diese Entspannungsmethode wirklich?

Eine umfassende Meta-Analyse von Stetter und Kupper hat über 60 Studien aus knapp fünf Jahrzehnten ausgewertet und belegt die Wirksamkeit des Autogenen Trainings. Dabei ist der Effekt weder esoterisch noch geheimnisvoll – sondern erklärbar, nachvollziehbar und vor allem trainierbar. Entscheidend ist die Regelmässigkeit: Wer täglich 10 bis 15 Minuten übt, kann den Entspannungsprozess im Nervensystem nachhaltig verankern.

Die sieben Grundübungen im Überblick

Das Autogene Training benennt sieben sogenannte Grundübungen, die Sie Schritt für Schritt in einen Zustand der körperlichen und geistigen Tiefenentspannung. Die autosuggestiven Formeln wiederholen Sie in Gedanken immer wieder. Die Wirkung entfaltet sich dann über die Konzentration auf innere Empfindungen.

Hier ein Überblick über die sieben klassischen Übungen:

  1. Ruheübung – „Ich bin ganz ruhig“
    Die zentrale Formel zur Einleitung. Sie schafft inneren Abstand zum Alltag und bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte.
  2. Schwereübung – „Der rechte Arm ist schwer“
    Durch die Vorstellung von Schwere entspannt sich die Muskulatur. Der Körper wird zunehmend ruhig und gelöst.
  3. Wärmeübung – „Der rechte Arm ist warm“
    Die Vorstellung von Wärme führt zur Weitstellung der Blutgefässe und wirkt entspannend auf das Herz-Kreislauf-System.
  4. Herzübung – „Das Herz schlägt ruhig und gleichmässig“
    Die Aufmerksamkeit auf das Herz reguliert den Puls und vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Ausgeglichenheit.
  5. Atemübung – „Der Atem fliesst ruhig“
    Der Atem wird weder kontrolliert noch verändert – sondern nur beobachtet. Dies wirkt beruhigend und fördert das Loslassen.
  6. Bauchübung – „Der Solarplexus ist strömend warm“
    Die Wärme in der Körpermitte aktiviert die Verdauung und stärkt das Gefühl von innerer Mitte.
  7. Stirnkühleübung – „Die Stirn ist angenehm kühl“
    Eine kühle Stirn steht für geistige Frische. Diese Übung rundet das Training ab und bringt Klarheit.

Jede Übung wird einzeln eingeführt, geübt und nach und nach miteinander kombiniert. Mit der Zeit entsteht daraus ein ganz individuelles Übungsritual.

Anwendung beim Einschlafen: Wie Autogenes Training den Schlaf unterstützt

Viele Menschen kennen das: Der Körper ist müde, aber der Kopf kommt einfach nicht zur Ruhe. Gedanken kreisen, der Herzschlag wirkt unruhig und das Einschlafen scheint in diesem Zustand fast unmöglich. Genau hier kann das Autogene Training gezielt eingesetzt werden. Die Methode hilft Ihnen dabei, vom aktivierten Sympathikus-Modus – dem „Kampf-oder-Flucht-Zustand“ – in den beruhigenden Parasympathikus-Modus zu wechseln, der für Erholung und Schlaf zuständig ist.

Durch das Wiederholen der Ruhe- und Schwereformeln im Liegen gleiten Sie schrittweise in einen entspannten Zustand. Die Muskulatur lockert sich, die Atmung wird gleichmässiger, der Geist wird stiller. Viele Anwender berichten, dass sie nach wenigen Minuten in einen natürlichen Einschlafprozess übergehen.

Tipps zur Anwendung vor dem Einschlafen:

  • Üben Sie am besten bereits tagsüber, um abends leichter in die Technik zu finden
  • Wählen Sie eine angenehme Liegeposition, in der Sie nicht wieder umgreifen müssen
  • Verwenden Sie zunächst nur die Ruhe-, Schwere- und Wärmeformel
  • Halten Sie die Augen geschlossen, aber den Geist sanft aufmerksam
  • Wenn Gedanken auftauchen: registrieren – aber nicht bewerten

Wichtig ist: Autogenes Training ersetzt keine „Einschlafhilfe von aussen“, sondern befähigt Sie, den eigenen Körper von innen heraus zu regulieren. Gerade Menschen mit unruhigem Schlaf, Einschlafproblemen oder innerer Anspannung profitieren von dieser Selbstwirksamkeit.

Wie lange dauert es, bis ich erste Ergebnisse erlebe?

Eine der häufigsten Fragen von Einsteigern lautet: Wann spüre ich die Wirkung? Die gute Nachricht: Viele Anwender erleben bereits nach wenigen Übungstagen erste Veränderungen – etwa ein ruhigeres Einschlafen, mehr Gelassenheit im Alltag oder eine bewusstere Atmung.

Die grundlegende Trainingsdauer liegt bei etwa 6 bis 8 Wochen, mit täglichen Übungszeiten von 10 bis 15 Minuten. In dieser Zeit werden die sieben Grundübungen schrittweise eingeführt und vertieft. Die Erfahrung zeigt: Je mehr Sie das Autogene Training in den Alltag integrieren, desto nachhaltiger profitieren Sie davon.

So können Sie Autogenes Training erlernen

Auch wenn es zu diesem Thema schon einige Do-it-yourself-Anleitungen im Internet gibt, macht es Sinn, die Methode unter professioneller Anleitung zu erlernen. Dies ist in Form von in Einzelsitzungen oder in Gruppenkursen möglich.

Einzelsitzungen bieten den Vorteil, dass die Fachperson gezielt auf Ihre Themen, Ihre Lebenssituation und Ihre Lerngeschwindigkeit eingehen kann. Sie profitieren besonders, wenn Sie mit konkreten Beschwerden oder Fragestellungen in das autogene Training starten möchten.

Gruppensitzungen hingegen schaffen einen gemeinsamen Übungsrahmen und ermöglichen den Austausch mit anderen. Viele erleben die Gruppendynamik als motivierend und unterstützend.

Unabhängig davon, für welche Form Sie sich entscheiden: Entscheidend ist die Fachkompetenz und Erfahrung der unterrichtenden Person, sowie die Bereitschaft, die Methode regelmässig in den Alltag zu integrieren.

Wer darf Autogenes Training unterrichten – und woran erkennen Sie Qualität?

Die Anleitung zum Autogenen Training erfordert eine fachliche Tiefe und eine persönliche Reife. In der Schweiz ist der Unterricht durch anerkannte Fachpersonen geregelt – etwa über eine Registrierung bei der EMR oder der ASCA, die eine fundierte Ausbildung in Autogenem Training sowie medizinischen und psychologischen Grundlagen voraussetzt.

Doch fachliche Qualifikation allein genügt nicht. Entscheidend ist auch die Haltung der unterrichtenden Person. Ein guter Lehrer oder Therapeut lebt die Grundprinzipien des Autogenen Trainings selbst. Er übt regelmässig, begegnet seinem Gegenüber mit echtem Interesse und bringt die notwendige Ruhe mit, um Raum für innere Prozesse entstehen zu lassen.

Folgende Merkmale zeichnen eine qualifizierte Fachperson aus:

  • Aufrichtiges, empathisches Interesse an Ihrem Erleben
  • Geduld, Präsenz und die Fähigkeit, auch mit Stille umzugehen
  • Fundierte Ausbildung mit Anerkennung durch EMR, ASCA o. Ä.
  • Erfahrung mit Tiefenpsychologie und Reflexion eigener Prozesse
  • Soziale Kompetenz – besonders bei Gruppenangeboten

Gute Fachpersonen schaffen einen sicheren Rahmen, in dem Sie sich entspannen, loslassen und entwickeln können. Wer sich für einen Kurs oder eine Sitzung interessiert, findet anerkannte Therapeuten und Lehrer direkt über die Fachpersonenliste auf v-p-t.ch

Berufliche Perspektive: Autogenes Training professionell weitervermitteln

Wenn Sie nicht nur für sich selbst lernen möchten, sondern auch andere Menschen begleiten wollen, bietet der V-P-T entsprechende Ausbildungen an. Als Coach oder Therapeut für Autogenes Training erwerben Sie fundierte Kenntnisse in Theorie und Praxis – inklusive medizinischer und psychologischer Grundlagen.

Sie lernen, Einzelpersonen oder Gruppen professionell anzuleiten und schaffen Räume für Entspannung, Selbstregulation und persönliche Entwicklung. Alle Kurse erfüllen die Anforderungen für eine mögliche Anerkennung bei der EMR oder der ASCA.

Die nächsten Ausbildungstermine finden Sie im Kurskalender des V-P-T.